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Gemeinde Wäschenbeuren

Volkstrauertag 2022

Artikel vom 16.11.2022

Würdigendes und besinnliches Gedenken

Das Erinnern, insbesondere an die Soldaten aus der Gemeinde, die bei den beiden Weltkriegen ihr Leben lassen mussten, fand bei der Gedenkfeier unter den Vorzeichen des bestehenden kriegerischen Konflikts, ausgelöst durch den Aggressor Russland, eine besondere Bedeutung. Mit passender Marschmusik der aktiven Kapelle des Musikvereins begleitet, begaben sich die zahlreichen Mitwirkenden unter Teilnahme der Fahnenabordnungen der Feuerwehr, des TSV, des Liederkranzes und des Musikvereins auf den Weg zur Gedenkstätte auf dem Friedhof. Zwischen den Musikstücken, vorgetragen von der Musikkapelle und dem Liederkranz, sprach Bürgermeister Karl Vesenmaier an der Gedenkstätte würdigende, aber auch mahnende Worte. Der Friede sei kein Geschenk. Daran müsse man ständig arbeiten. Zum Abschluss sprach Pfarrer Reiner Stadlbauer Gebete und bezog die Anwesenden auch damit ein.

Die Ehrung, so der Schultes bei seinen Dankesworten an die Teilnehmer und Mitwirkenden, sei allen eine Herzensangelegenheit gewesen. Dies habe er gespürt.

Sein Dank galt auch Herrn Ludolph, dem Vorsitzenden des VdK des Östlichen Schurwaldes für sein Wirken, sowie den fast vollständig anwesenden Gemeinderätinnen und Gemeinderäten für die mit ihrer Teilnahme zum Ausdruck gebrachte Bedeutung dieses Tages.

Nachstehend Auszüge aus der Ansprache von Bürgermeister Karl Vesenmaier:

„Zum Gedenken versammelte Gemeinde,

erinnern, erinnern, erinnern! Dieser Appell ist aktueller denn je.

Es gab eine Zeit, in der man meinte, dass die Ehrung der Kriegstoten des 1. und 2. Weltkrieges nur ein jährliches Ritual sei, das der Tradition wegen bewahrt werden müsse. Wir wurden im Frühjahr 2022 eines Besseren belehrt.

Vergleichbar einem Erdbeben wurde von Russland an der festen Statik der bisherigen politischen Blöcke nicht nur gerüttelt, sondern der Krieg mit der Ukraine ausgerufen, der immer noch wütet und täglich viele Menschenleben fordert. Politisches Vertrauen wurde zerstört. Die Skepsis gegenüber anderen Völkern hat wieder zugenommen.

Zu uns fliegen zwar keine Bomben, doch der Krieg ist längst mit seinen Folgen auch in Deutschland und der EU angekommen. Viele leiden unter der Inflation mit einhergehenden, noch nie dagewesenen Preissprüngen bei der Energie. Die beratenden Fachleute der Bundesregierung sagen der EU einen wirtschaftlichen Abschwung voraus. So gesehen, ist die Krise bei uns derzeit nur teilweise angekommen. Friedenstiftend wirken darf dabei nicht nur eine Außenwirkung haben, sondern der Blick nach innen und zu den politisch Verbündeten ist ebenso wichtig. Jedes innere Zerwürfnis stärkt die Macht des politischen Gegners.

Mit dem Glauben verbinden wir meist das friedenstiftende Wirken der Kirchen. In Russland ist dem aktuell nicht so. Russlands orthodoxe Kirche verspricht Soldaten des Riesenreichs die Vergebung ihrer Sünden, wenn sie im Krieg ihr Leben opfern. Patriarch Kyrill I. pries in einem Gottesdienst Opferbereitschaft als Ausdruck der „besten menschlichen Eigenschaften“. Die Kirche wisse, dass diejenigen, die bei der Erfüllung ihrer militärischen Pflichten sterben, sich für andere aufopfern: „Deshalb glauben wir, dass dieses Opfer alle Sünden abwäscht, die ein Mensch begangen hat.“

Haben wir wirklich nichts gelernt aus der Geschichte?

Verehrte Anwesende,

noch sind die Auswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen überschaubar. Noch ist der Kampfesgeist der am Konflikt Beteiligten größer als das zu ertragende Leid der betroffenen Völker. Doch die Kriegsparteien bewegen sich auf einem schmalen Grat, der den Absturz zur Folge haben kann.

Und es muss immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden:

Im Zweiten Weltkrieg haben 55 Millionen Menschen ihr Leben verloren.

Das sind in 6 Kriegsjahren 17 Menschen pro Minute – alle 3 Sekunden 1 Opfer!

Dieses unsagbare Leid darf sich in diesem Ausmaß nicht wiederholen. Wir müssen alles daransetzen, dass ein derartiges Unrecht nicht noch einmal geschehen kann.

Das Gedenken an die zahlreichen Todesopfer ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Erinnerungskultur. Indem er uns das dunkelste Kapitel unserer Geschichte ins Gedächtnis ruft, ist er ein Tag des mahnenden Gedenkens vor den Auswirkungen von Krieg und Gewalt. Und diese Erinnerung gilt es, wie eingangs wiederholt erwähnt, aufrechtzuerhalten - gerade weil persönliche Betroffenheit und Erfahrung mit dem zeitlichen Abstand immer mehr schwinden und es immer weniger Zeitzeugen gibt.

Wir dürfen das Geschehene auf keinen Fall vergessen.

Denn nur wer erinnert, kann aus dem Vergangenen lernen.

Verehrte Anwesende,

hier in Europa haben wir das Glück, seit mittlerweile über 75 Jahren in Frieden leben zu können. Die meisten von uns haben Krieg, Hunger und Elend nie kennengelernt. Das ist ein großes Privileg. Nach zwei Weltkriegen ist es gelungen, den Weg der Versöhnung und des Friedens einzuschlagen.

Heute sind die Staaten Europas Garanten des Friedens und der Freiheit. Das geeinte Europa hat sich von einem Kontinent der Kriege zur Friedensunion entwickelt. Wir alle können stolz darauf sein, in Europa zu leben und Teil dieser Friedensunion zu sein.“

Und dieses „hohe Gut“ der Friedenssicherung müssen wir für unsere nachfolgenden Generationen bewahren. Wir müssen uns der Verantwortung stellen und dürfen sichtbaren Fehlentwicklungen gegenüber nicht gleichgültig bleiben. Das darf sich aber nicht nur auf den heutigen Tag beschränken. Diese immerwährende Verpflichtung muss auch in unserem Alltag präsent sein und uns dazu anhalten, eine Gesellschaft aufzubauen, die von Toleranz, gegenseitiger Achtung und Humanität geprägt ist.

Lassen Sie uns auch weiterhin gemeinsam an der Versöhnung und Verständigung der Völker arbeiten. Hier in Wäschenbeuren und in der ganzen Welt! Treten wir also vereint für ein harmonisches und tolerantes Miteinander ein.

Denn: „Jeder Krieg ist eine Niederlage der Menschheit“.

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