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Gemeinde Wäschenbeuren

Ortsrundgang der VHS

Artikel vom 19.10.2023

Zeit der großen Veränderungen

Zum siebten Male führte Peter Schührer am vergangenen Samstag im Auftrag der Volkshochschule durch den Ort. Diesmal ging’s über Seestraße, Professor-Kuhn-Straße, Bahnhofstraße, Radweg, Mühlgasse, Oberdorfstraße zum Marktplatz zurück.

Schwerpunktmäßig ging es um die gewaltigen Veränderungen in Wäschenbeuren in den 78 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. So gab es lange Jahre in Wäschenbeuren 6 Läden, in denen man einkaufen konnte: Wieland in der Lorcher Straße, Aschers in der Professor-Kuhn-Straße, Kuhn-Singer in der Hetzengasse, Schweicker und die Limonad-Kaißere in der Oberdorfstraße und den Konsum an der Ecke von Oberdorfstraße und Bahnhofstraße. In Aschers Laden waren nach der Geschäftsaufgabe Quelle-Laden, Otto-Katalogshop, Fahrschule und Bastelgeschäft untergebracht, bevor Frau Müller 1996 ihr Schreibwarengeschäft eröffnete. Verbunden damit waren die Postagentur, eine Lotto-Annahme und eine Wäscheannahme. Ende 2017 gab sie ihr Geschäft auf.

Eine ähnliche Entwicklung gab es im Gaststättensektor. Die „Germania“ am Marktplatz wich in den achtziger Jahren einem Neubau. „Rössle“, „Krone“ und „Sonne“ bestehen auch nicht mehr. Aus der „Bahnhofs-Restauration“ wurde eine Zahnarztpraxis und der „Grüne Baum“ wurde in Wohnungen umgewandelt. Beim Bombenaufgriff am Kriegsende waren „Sonne“ und Rössle“ abgebrannt, die anderen Gaststätten überstanden den Schreckenstag. Der „Grüne Baum“ diente nach dem 19. April 1945 sogar für einige Zeit als Rathaus, da das Rathaus abgebrannt war. Die „Bahnhofs-Restauration“ musste 1957 auf Drängen des Schulamts geschlossen werden, weil der Rektor Josef Kleinknecht zusammen mit seiner Frau, einer Kronenwirtstochter, das Gasthaus führte. Um die Konzession nicht zu verlieren, wurde das Gasthaus einige Zeit jährlich zur Pfingstmarktzeit geöffnet. Nach Kleinknechts Tod, 1975, führten wechselnde Pächter das Gasthaus „Staufenblick“.

Auch manches Handwerk wurde von den wirtschaftlichen Entwicklungen erfasst. So gab es in Wäschenbeuren nach dem Krieg noch fünf Bäckereien: den Sonnebeck in der „Sonne“, den Mesmersbeck beim Rathaus, den Brühlbauersbeck an der Ecke Oberdorfstraße und Mühlgasse und die beiden Bäckereien Stäffelesbeck und Wettabeck. Sechs Wägner übten in den fünfziger Jahren noch ihr Handwerk aus. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Leiterwagen zu bauen. Als die Landwirte mit Traktoren und gummibereiften Wagen aufs Feld fuhren, war auch ihre Zeit gekommen. Wägner Singer in der Mühlgasse gab als letzter Wägner 1960 sein Handwerk auf. Auch die zwei Schmiedebetriebe Schweicker und Kolb bestehen nicht mehr. Sie fanden nach dem Ende des Leiterwagenbaus, an dem sie auch beteiligt waren, und dem Pferde- und Kühe-Beschlagen andere Geschäftsfelder. Sie verkauften und reparierten landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren. Bei den Pfingstmärkten der sechziger Jahre stand die ganze Professor-Kuhn-Straße noch voller landwirtschaftlicher Maschinen.

Im Umfeld der Landwirtschaft änderte sich auch sehr viel. So wurde 1978 der Farrenstall geschlossen, nachdem die Gemeinde die künstliche Besamung eingeführt hatte. Der Farrenstall in der Professor-Kuhn-Straße war 1948 als erstes öffentliches Gebäude nach dem großen Brand errichtet worden, so dringlich war die Sache. Viele Jahre diente er danach als Bauhof der Gemeinde. In der Molke in der Bahnhofstraße, die 1934 gebaut worden war, lieferten die Bauern ihre Milch ab. 1965 waren es immerhin noch 70 Lieferanten. Die über Nacht gekühlte Milch kam ins Milchwerk der Südmilch nach Göppingen. Eine Zeit lang wurde ein Laden betrieben, wo man Milch, Butter und Käse kaufen konnte. Allabendlich traf sich das junge Volk an der Molke, und manche „Bekanntschaft“ wurde dort gemacht. 1980 wurde die Molkereigenossenschaft aufgelöst und das Grundstück verkauft. 

Dieses und vieles andere mehr erfuhr die Gruppe, die mit Peter Schührer unterwegs war. Zum Glück setzte der für 11 Uhr angekündigte Regen erst um 12 Uhr ein. Da war man schon zu Hause.

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